1) Anmerkung: "Das Lied vom Spieler"aus Rigveda X, 34.

Bildinhaber: Franz Rickinger

Aus dem Werk:

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Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen

Neunter Band

Geschichte der indischen Litteratur

 

von Dr. M. Winternitz

Professor an der deutschen Universität in Prag

 

 

Erster Band

Zweite Ausgabe

Leipzig

C.F. Amelangs Verlag

1909

<<

Auf den Seiten Seite 97 und 98 findet sich das Lied vom Spieler:

"

 

 

...

Das schönste aber unter den nicht-religiösen Gedichten der Rigvedasammlung ist das Lied vom Spieler, Rv. X, 34. Es ist das Selbstgespräch eines reuigen Sünders, der durch seinen unwiderstehlichen Hang zum Würfelspiel sein Lebensglück zerstört hat. In ergreifenden Versen schildert der Spieler, wie ihn die Würfel um sein Familienglück gebracht haben:
>> Mein Weib hat nie mich aufgereizt, gescholten.
Sie meint es gut mit mir und meinen Freunden;
Obschon sie treu war, stieß ich sie doch von mir
Dem Würfel, der mir alles gilt, zuliebe.

Nun haßt die Schwieger, weist mich ab die Gattin,
Des Spielers Klagen finden kein Erbarmen;
Ich weiß auch nicht, wozu ein Spieler gut wär’,
So wenig als ein treuer Gaul im Alter.

Nach seinem Weibe greifen fremde Hände.
Indes mit Würfeln er auf Beute auszieht.
Der Vater, Bruder und die Mutter rufen:
Wer ist der Mensch? Nur fort mit ihm in Banden! <<

Aber auch die unheimliche Macht der Würfel wird in kräftigen Worten geschildert:

>> Und sag’ ich mir: ich will nun nicht mehr spielen,
So lassen mich im Stich die Freunde alle;
Doch hör’ ich wieder braune Qüerfel fallen,
So eil’ ich wie zum Stelldichein die Buhle. <<

Und von den Würfeln heißt es:

>> Sie sind wie Angeln, die sich bohren in das Fleisch,
Betrüger sind sie, brennen, quälen, peinigen;
Nach kurzem Glücke rauben sie den Sieger aus,
Dem Spieler sind sie dennoch süße Herzenslust.

Sie rollen nieder, hüpfen in die Höhe,
Und ohne Hände zwingen sie die Fäuste.
Die zauberhaften Kohlen auf dem Plane
Versengen jedes Herz, obwohl sie tot sind.<<

Und so sehr er auch sein Schicksal bejammert, so fällt er doch immer wieder in die Gewalt der Würfel:

>>Verlassen, grämt des Spielers Weib sich einsam,
die Mutter, weil der Sohn - wer weiß, wo - umirrt.
Er selbst verschuldet geht voll Angst auf Diebstahl,
Verbirgt zur Nacht sich unter fremden Dache.

Ein Weh ergreift ihn, wenn er sieht die Gattin
Und wohlbestellte Heimat eines andern.
Am frühen Morgen schirrt er schon die Braunen ¹),
Erlischt das Feuer, sinkt der Wicht zusammen.<< ²)

Zum Schlusse besinnt er sich doch eines Besseren: er fleht die Würfel an, ihn freizulassen, da er, dem Gebot des Savitar folgend, das Spiel aufgeben wolle, um seinen Acker zu bestellen und seiner Familie zu leben. ...

_____________________

¹) D.h. er beginnt mit den braunen Würfeln zu spielen.

²) Übersetzung von K.Geldner in >>Siebzig Lieder des Veda<<, S.158 ff.

"

 

 

(aus den Seiten 97 und 98 in [41]), dh.:

Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen, Neunter Band, Geschichte der indischen Litteratur, von Dr. M. Winternitz, Professor an der deutschen Universität in Prag, Erster Band, Zweite Ausgabe, Leipzig, C.F. Amelangs Verlag, 1909

 


 

 

 

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